In der ersten Nacht im Hannam House Bed and Breakfast haben wir prima geschlafen, das erste Mal seit fast 6 Monaten in einem „richtigen“ Bett. Jeder hatte ein Queen-Size Bett für sich, aber was will man mit soviel Breite, zumal man erst die Decke unter der Matratze hervorwurschteln muss, um sich vernünftig zudecken zu können. Ich muss sagen, das war jetzt auch keine Erleuchtung, die Betten in Oigen sind wunderbar und bequem, nur eben halb so breit.
Die Nacht war sehr ruhig, die Flucht ins B&B für diese Nacht völlig überflüssig. Mit von der Partie waren noch ein Ehepaar aus der Gegend von Halifax und ein Ehepaar aus Quebec, die mit einem PKW und einem Mini-Anhänger mit Aufklappzelt unterwegs sind. Der Hänger hat vielleicht die Maße 1×1 m, kann einmal aufgeklappt werden und es entsteht ein Zelt mit der Grundfläche von 2×1 m, vielleicht war er auch 1,3 Meter breit, aber sicher nicht mehr. Ursprünglich ist der Hänger für Motorradfahrer konzipiert, der für PKW ist nur ein bisschen größer. Die beiden tingelten auch so von Ort zu Ort und sahen sich die Gegend an. In der Vergangenheit hatten sie ein Segelboot (35 ft lang), mit dem sie 6 Jahre Lang die Karibik und den Pazifik besegelt haben, immer 6 Monate in der Hurricane freien Zeit. Leider konnte man sie sehr schlecht verstehen, sowohl auf englisch als auch auf französisch. Das Ehepaar aus Halifax stornierte dann am Abend noch die 2. Übernachtung, um am nächsten Morgen gleich wieder zurück nach Halifax zu fahren, dort sollte der Sturm aufs Land treffen und da wollten sie vor Ort sein.

Im Laufe des nächsten Vormittages frischte dann der Wind auf und es fing an zu regnen. Gegen Mittag sind wir 2 dann noch mal in den Ort um evtl. was für den Abend einzukaufen, aber im Supermarkt hatte man bereits alles aus den Kühlregalen ausgeräumt und vermutlich in andere, durch Generatoren versorgte, Kühlräume gebracht. So blieb uns nur der Weg in den Liquor Store gleich nebenan, um noch eine Flasche Wein zu kaufen. Als wir an der Kasse standen, ging auch schon einmal kurz das Licht aus! Also wir wieder ins B&B, nicht ohne noch am Geldautomaten etwas Bargeld zu ziehen, ohne Strom auch keine Kreditkartenzahlung!
Danach nahm der Wind kräftig zu und erreichte ganz beachtliche Stärke. Die Bäume bogen sich gewaltig und es flog allerhand Blattwerk durch die Gegend. So gegen 2 Uhr nachmittags fiel dann der Strom aus. Scheint bei solchen Gelegenheiten vollkommen normal zu sein, niemand fragt sich, wann er denn wieder kommt der Strom, man akzeptiert das mit stoischer Ruhe.
Da der Strom in der ganzen Stadt Middleton ausgefallen war, hatten auch alle Gelegenheiten, sich zum Abendessen was zu besorgen, geschlossen. Charlene und Gary haben uns dann zum Dinner eingeladen, korrekterweise zum Supper, denn es gab kaltes Hühnchen, Kartoffelsalat in 2 Varianten (Jutta hatte am Vortag ja welchen gemacht, davon war noch genug übrig), Tomaten und etwas Coleslaw, ein sehr leckerer Krautsalat. Die Flasche Wein von uns bekam noch eine Schwester und so haben wir bei Kerzenschein lange in der gemütlichen Küche zusammengesessen und über Gott und die Welt geredet, draußen tobte der Hurrikan.

Am nächsten Morgen fiel das Frühstück auch etwas spartanischer aus, der Strom war immer noch ausgefallen. Wir haben in Oigen Kaffee gekocht und Garry besorgte noch eine Kanne bei Tim Horten, einer Kaffeekette. Lange Autoschlangen davor, der einzige Laden der geöffnet war!
Das Frühstück zog sich mit fröhlicher Unterhaltung auch wieder bis um 11 Uhr hin. Bezahlen ging bei Charlene doch mit VISA, nach guter alter Ritsch-Ratsch-Methode!
Wir machten uns dann Richtung Westen, die Küste entlang auf. Da konnten wir feststellen, dass in Middleton vergleichsweise wenig passiert war. Wir haben viele umgestürzte Bäume gesehen, die jedoch von den Grundstücksbesitzern teilweise schon fein säuberlich zerlegt worden waren. Eine Kettensäge gehört zur Standardausrüstung! Nur die Beseitigung von Blockaden auf der Straße, wo dann die öffentliche Hand zuständig wäre, kam nicht so schnell in die Gänge. Auf einer Landstraße mussten wir umkehren, weil ein Leitungsmast schräg über der Straße lag. Es waren zwar Warnhütchen aufgestellt, aber die Straße keinesfalls gesperrt oder mit einem Hinweis versehen. So mussten wir 5 Kilometer wieder zurück, um eine andere Route zu nehmen.

Kein Wunder, dass bei Sturm der Strom im größeren Stil ausfällt, alle Leitungen werden neben den Straßen überirdisch verlegt, mitten durch die Bäume durch, wenn ein Ast ab kracht: Tschüss Strom!

Gegen Mittag haben wir dann in Annapolis Royal einen Stopp eingelegt, um uns das Fort St. Anne anzusehen, eine Festungsanlage aus dem 18. Jahrhundert, die im Laufe der bewegten Geschichte von Nova Scotia 7 mal den Besitzer wechselte zwischen Frankreich und England. Am Ende haben dann doch die Engländer gewonnen.

In diesem Ort war auch großflächiger Stromausfall, überall röhrten die Generatoren. Da fiel uns ein Schild an einem gelben Haus auf: German Bakery Sachsen. Wir sofort rein um nach einem deutschen Brot zu schauen. Wir wurden sofort in deutsch bedient, tatsächlich handelte es sich um eine Bäckersfamilie aus Sachsen, die nach dem Mauerfall 2002 den Sprung ins kalte Wasser gewagt hat und nach Kanada ausgewandert ist. Nach anfänglichen Schwierigkeiten läuft der Laden aber jetzt wohl gut, es war die Hölle los, da es sonst nirgends wo etwas zu essen gab. Es ist nicht nur eine Bäckerei, sondern auch ein Restaurant mit Gulasch- und Kartoffelsuppe, Jägerschnitzel und Spätzle! Kein „Wait to be seated“ Schild, alles ziemlich Original deutsch. Durch den starken Andrang geriet die ganze Familie etwas in Stress, die Mutter sagte: „We let us not hurry today!“, mit leicht sächselndem Akzent! Köstlich! Die Gulaschsuppe war prima, das Weißbier dazu auch, das Brot haben wir heute Abend probiert, ebenfalls sehr lecker!

Wir haben dann noch das Fort kurz besucht, ein noch ziemlich eisig wehender Wind machte es uns leicht, die Besichtigung kurz zu halten.
Um noch etwas Strecke zu machen, sind wir dann auf der Schnellstraße bis nach Yarmouth gefahren, wo wir mal wieder die Gastfreundschaft von Walmart in Anspruch nehmen. Morgen rollen wir dann die Lighthouse Route von West nach Ost auf und nähern uns dann dem Endpunkt unserer schönen Reise….

