7. bis 9. August: Wir tauchen in die USA Frühgeschichte ein

Am Morgen das nächsten Tages war das Wetter doch nicht so schlecht und so dachten wir uns, es wäre doch ganz schön, noch einmal zurück nach Rhode Island zurück zu fahren und uns in Newport die berühmten Cottages der durch Stahl, Baumwolle und Bergwerke reich gewordenen Kapitalisten des frühen 19. Jahrhunderts anzuschauen.

Also gings zurück, wieder von Cape Cod runter. Cape Cod ist ja eine Halbinsel und man kommt mit dem Auto nur von Westen rauf und runter. Das sind aber in voller Länge ca. 100 km. Will sagen, das zieht sich doch ganz schön. Unser Zwischenziel war erst einmal New Bedford, das damalige Zentrum des Walfangs. Durch ihn schnell gewachsen und reich und einflussreich geworden, war dann Schluss damit, nachdem man in Pennsylvania Erdöl entdeckt hat und das Walöl zur Beleuchtung ausgedient hatte. Dort gibt es ein sehr beeindruckendes Walfangmuseum, welches wir uns anschauen wollten. Ein Parkplatz war in den engen Straßen der Altstadt sogar problemlos gefunden. Mit eingeklapptem Außenspiegel kamen dann auch die Amischlitten noch an uns vorbei (wir haben den Spiegel eingeklappt, nicht die vorbeifahrenden Autos!).

Sehr beeindruckend in diesem Museum ist ein Modell eines Walfangschiffs im Maßstab 1:2, schon seinerzeit beim Bau des Gebäudes als Museum in einem Gebäudeteil vorgesehen. Allerhand Gerätschaften und sehr viel Gemälde, die den Walfang als Thema hatten. Darüber hinaus ein Modell eines Blauwahlherzen, so groß wie ein Smart, durch die Arterie kann man durchkriechen! Alles in Allem sehr interessant. Nach 2 Stunden gings weiter nach Newport. Auch das zieht sich, ist uns auf der Fahrt in die andere Richtung gar nicht so aufgefallen. Das Navi hat uns dann sicher zu The Breakers gebracht, eines der sagenumwobenen Cottages. Leider kamen wir etwas zu spät dort an, um 5 macht der Laden zu, außerdem fing es an zu regnen. Für einen kurzen Blick hat es gereicht. Aber die Gegend strotzt nur so von tollen Villen und Schlössern in fantastischen Garten- bzw. Parkanlagen, dass man schon neidisch werden könnte. Aber die Reichen von damals haben ihre Villen dann auch nicht mehr halten können, nachdem in USA 1913 die Einkommensteuer eingeführt wurde. So kümmert sich nun eine Organisation um den Erhalt der Gebäude und Anlagen.

Anschließend sind wir dann noch den Ocean Drive um die Landspitze herumgefahren. Eine tolle Strecke direkt am Ufer des offenen Atlantik entlang, auch hier das eine oder andere schöne Anwesen.

Da es in Newport keinen richtigen Walmart gibt (die dort wohnen kaufen nicht beim Walmart!) mussten wir etwas weiter nach Norden Richtung Providence fahren, um einen Walmart zu finden, auf dessen Parkplatz laut unserer App das Übernachten erlaubt war. Schilder sagten allerdings das Gegenteil, aber da schon anderer Wohnmobile dort standen, haben wir uns mal dazu gestellt. Nach einer ruhigen Nacht mit einer ganzen Menge Regen wurden wir dann morgens gegen 8 von einer Sirene und einer Durchsage geweckt, dass wir verschwinden sollen. Das taten wir dann auch nach den üblichen morgendlichen Ritualen und einem kleinen Einkauf.

Für den Tag hatten wir vor, nur bis kurz vor Boston zu fahren, in den Wompatuck State Park. Der Park liegt ca. 10 km von Hingham entfernt, von wo aus man mit einer Schnellfähre direkt nach Boston  Downtown fahren kann in nur einer halben Stunde. Das Parken kostet auch nur 4$. Also haben wir uns schon recht früh so gegen 2 Uhr im Wompatuck eingerichtet. Ich habe dann noch eine größere Runde mit dem Rad durch den Park gedreht, der im 2.Weltkrieg und kurz danach auch ein Militärgelände gewesen ist. Man hat dort für die Navy Munition gelagert, in Bunkern mitten im Wald. In den Werften wurden damals die Schiffe der Navy gebaut und ausgerüstet. Das Gelände ist noch durchzogen von alten Gleisanalgen, sonst sieht man nicht mehr viel von der militärischen Vergangenheit. Heute sind die Wege teilweise schön asphaltiert und prima mit dem Rad zu erkunden.

Heute Morgen war früh aufstehen angesagt, wir wollten auch sicher sein, dass wir einen Parkplatz bekommen. Also waren wir gegen 8:30 am Anleger, Parkplatz kein Problem. Das Bezahlen des Parkgebühr erfolgt vorsintflutlich: An einer Stelle steht ein großer Kasten mit lauter Schlitzen, wie die Spardosen von Sparvereinen, die es früher in jedem Gasthof gab. Dort schiebt man dann in den Schlitz mit der entsprechenden Parkplatznummer seine Scheine rein, gefaltet genau nach Anleitung. Sogar ein Werkzeug zum Nachschiegen der Scheine hängt dort. Jetzt kommt dann wohl einmal am Tag einer, der schaut in welchem Schlitz ist Geld, dann Kontrolle, welche Parkplätze belegt sind, ein Aufwand-unvorstellbar!

Die Fahrkarten hatten wir schon am Tag davor gekauft mit Seniors Rabatt (50%!). Eine Katamaran-Fähre brachte uns dann in 30 Minuten nach Bosten, mit 60 km/h bretterte sie über das Wasser! Vorbei an zahlreichen kleinen Inseln, den Harbour Islands, legten wir dann im Zentrum von Boston an.

Von dort sind wir mit einer kleineren Fähre zum nördlichen Anfangspunkt des Freedom Trails gefahren, zur USS Constitution. Ein großes Segel-Schlachtschiff, sehr schön restauriert liegt es da vertäut und man kann es gratis besichtigen, allerdings nur nach Sicherheitskontrolle durch die Navy!

Der Freedom Trail zieht sich durch ganz Boston Downtown und führt von einem geschichtsträchtigen Ort zum nächsten. Ist sehr praktisch, man muss nur immer der roten Linie folgen, die mal mehr mal weniger schön im Boden eingelassen ist. So sind wir also an allen wichtigen Orten der Revolution der Kolonie gegen das Mutterland verbeigekommen, die ja mit der berühmten Boston Tea Party 1773 ihren Anfang nahm. Das alles bei strahlendem Sonnenschein und über 30 Grad! Schon wieder zu viel des Guten.

Boston hat uns sehr gut gefallen, die Architektur der Innenstadt lebt sehr vom Mix aus historischen Gebäuden aus der Kolonialzeit (kleine Gebäude), eher niedrigen Hochhäuser der frühen Wolkenkratzerzeit und den modernen Hochhäusern der heutigen Zeit. Es ist viel los in der Stadt, jede Menge Volk auf den Straßen, natürlich auch viele Touristen. Aber Städte am Wasser haben ja immer was Besonderes, wir lieben das sehr!

So gegen 3 waren aber dann die Füße platt gelaufen und wir haben uns wieder eingeschifft. In einer halben Stunde waren wir wieder in Hingham, eine weitere halbe Stunde später wieder auf unserem Stellplatz. Hier haben wir diesen sehr schönen Tag gemütlich am Lagerfeuer ausklingen lassen.

1. bis 6. August: Durch New York nach Cap Cod

Bei Schriftstellern würde man von einer Schreibblockade sprechen, ich hatte nur keine Lust und abends war auch immer nicht die rechte Gelegenheit. Heute Nachmittag, glücklicherweise erst nach dem Whale-Watching-Ausflug, hat es etwas eingetrübt und es tröpfelt, deshalb ergreife ich jetzt die Gelegenheit, die vergangene Woche nachzuholen.

Aber der Reihe nach: Am Ruhetag auf dem Four Mile Creek Campground an der Mündung des Niagara River in den Ontariosee auf USA Seite haben wir noch einen schönen Fahrradausflug zur alten Fortanalage ganz vorne an der Mündungsspitze gemacht. Eine schöne, gepflegte Anlage, sowohl am See als auch am Fluss gelegen. Es war traumhaft schön, als wir da an einer Bootanlegestelle am Ufer des Niagara gesessen haben und die Füße ins Wasser hängen ließen. Vor uns der Fluss, ein paar Segelboote, die dem See zustrebten, am gegenüberliegenden Ufer der Ort Niagara on the Lake auf kanadischer Seite. Das alles bei herrlichem Sonnenschein – eine sehr friedliche Idylle.

Die Idylle am Niagara River
Zum Sonnenuntergang eine Caipi…prost!

Am nächsten Tag war das grobe Ziel die Gegend der Finger Lakes, eine Reihe langgestreckter Seen in Nord-Südlicher Richtung. Wir sind nicht über die Interstate 90 im Schnelldurchgang gefahren, sondern sind über den Highway 20 „über die Dörfer“ gefahren, was eine gute Entscheidung war. Die Gegend ist durch Eiszeit geprägt, die Seen sind auch in dieser Zeit entstanden. Zwischen den Seen, also immer quer zu unserer Reiserichtung, erstreckten sich Hügelketten von ca. 100 bis 150 Meter Höhe, die Straße ging immer hoch und runter, erst oben auf der Kuppe konnte man sehen, wie es weiter ging, und zwar nach steil bergauf gleich wieder steil bergab. Geprägt ist die Landschaft durch Getreide-, Mais- und auch viel Obstanbau, an der Straße wurden die Produkte verkauft. Alles in Allem eine sehr liebliche und „europäische“ Landschaft.

Unser Camp für die Nacht haben wir im Sampson State Park aufgeschlagen. Ein ehemaliges militärisches Gelände, im 2. Weltkrieg hat dort die Navy ihren Soldaten die Grundausbildung verpasst, im Koreakrieg in den 50er Jahren wurden dann dort die Air Force Piloten grundausgebildet. Nachdem der Krieg vorbei war, hat man das Camp nicht mehr gebraucht, der Staat New York hat das Gelände übernommen und die Gebäude entfernt (geht hier ja alles leicht, ist eh nur aus Kanthölzern gebaut!) und einen State Park draus gemacht. Die Lage ist sehr schön, direkt am Seneca Lake, dieser schön warm, was ich bei einem Bade feststellen konnte.

Tags drauf ging es weiter Richtung Osten, Ziel die Gegend um Albany, die Hauptstadt des Staates New York. Die Landschaft änderte sich nicht wesentlich, die Hügel wurden etwas flacher, aber sonst alles wie am Tag zuvor. Aus meinem WikiCamps hatte ich einen Übernachtungsplatz an einer Schleuse des Erie-Kanals ausgesucht. Neben der Schleuse ist ein Parkplatz, es führt auch dort ein beliebter Radweg vorbei, es ist also tagsüber immer was los. Abends natürlich nicht mehr, auch der Schiffsverkehr auf dem Erie Kanal ist inzwischen nur noch Freizeitschifffahrt. Als wir ankamen wurde gerade ein Motorboot geschleust, das wars dann für den Tag.

Parkplatz an der Schleuse Nr. 8

Das Schleusen ist gratis, die Schleuse rund um die Uhr besetzt! Da wäre Einsparpotenzial ohne Ende. Der Erie Kanal wurde im 18. Jahrhundert schon projektiert, 1817 wurde angefangen zu graben, 1825 war er fertig. Er ist über 500 km lang und folgt überwiegend dem Mohawk River. Er verbindet den Hudson River, der von New York City nach Norden führt, bei Albany mit dem Eriesee, in der Nähe von Buffalo. Er macht in seinem Verlauf 2 Auf- und Abstiege und erreicht im Eriesee 170 Meter Höhe.

Der Handel mit dem mittleren Westen (Getreide) nahm damals einen starken Aufschwung und der damalige Wohlstand von New York City beruht mit auf dem Erfolg dieses Kanals. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde er umfassend ausgebaut, die Schleusen vergrößert und modernisiert. Jedoch ist er im Winter nicht befahrbar und durch die Eröffnung eines anderen Kanals schwand seine Bedeutung. Heute, wie gesagt, nur noch Freizeitschifffahrt.

So, genug historische Infomation. Die Nacht war prima, am nächsten Morgen nahm der Schleusenverkehr enorm Fahrt auf, bis wir abfuhren noch 3 weitere Boote!

Das nächste Ziel Richtung Ostküste: Old Sturbridge Village. Ein mehrere Hektar großes Freilichtmuseum in dem die Akteure eines Vereins so leben wie um 1830. Zum Glück war Sonntag und das volle Programm geboten: Handwerk, ärztliche Behandlung mit Erläuterungen einer Amputation und vor allem: Schlachtengetümmel: Revolutionäre gegen Engländer! Mit echtem Musketengeknalle, Kanonen und allem Drum und Dran, bestimmt 100 Leute auf dem Schlachtfeld und das um 2 Uhr bei knallender Sonne! Die Armen Soldaten in ihren dicken Uniformen. Denen stand auch ganz schön der Schweiß auf der Stirn! In der Dorfmitte ein großes Feldlager, eine tolle Sache. Nennt sich hier Living Community Museum und gibt es in den Neuengland Staaten mehrfach. Als um 5 Uhr dann die Tore schlossen, verwandelten sich die Soldaten und alle anderen flugs wieder in normale Menschen, die Zelte wurden abgeschlagen und alles in die Autos verstaut. Manch einer verbringt sicher seinen Urlaub dort, mancher nur das Wochenende.

Die Schlacht ist in vollem Gange
Geordneter Rückzug nach der Schlacht

 

 

Die Engländer haben verloren, wie auch sonst….
Das Feldlager in Sturbridge Village
Der Böttcher bei der Arbeit
Der Militärarzt bei der Armamputation
Schön wars und interessant

Übernachtung in einem State Park in der Nähe. Außer Toiletten und Duschen keine Hook Ups, also kein Wasser und kein Strom am Stellpatz, und auch keine Dump-Station. Der Preis 17$, das ginge ja noch, aber in Massachusetts kosten die Campingplätze für nicht Residents 10(!) Bucks mehr, also 27! Was rechtfertigt diese Diskriminierung???? Für 27 Steine eindeutig zu teuer, aber was willscht mache?

Am darauffolgenden Tag sollten wir den Atlantik wiedersehen, damit hatten wir den Kontinent 2 mal durchquert! Von Sturbridge ging es wieder, leider diesmal ungewollt über winzige Sträßchen in einem erbarmungswürdigem Zustand Richtung Küste. Erst in Südlicher Richtung nach Newport, Rhode Island, der kleinste Staat der USA, und dann auf die Halbinsel Cape Cod. Newport haben wir erst einmal nur durchquert, die Campingplatzsituation ist dort eher bescheiden, und mit Oigen in die Stadt ist immer problematisch. So sind wir also gleich weiter nach Cape Cod, eine langgestreckte Halbinsel südlich von Boston. Sie sieht aus wie ein abgewinkelter Oberarm mit einer geballten Faust.

Hier landeten seinerzeit 1620 die Pilgerväter das erste Mal und haben versucht Fuß zu fassen, was sie aber nach ein paar Monaten aufgegeben haben. Sie sind dann über die Bay ans Festland nach Plymouth, wo sie dann die erste Siedlung errichten konnten.

In einem RV-Park haben wir uns für 2 Nächte eingemietet. Cape Cod ist DAS Ausflugs- und Urlaubsziel für die Bostoner, die Newporter und alle, die hier noch so wohnen. Das merkt man am Verkehr und an den Preisen!

Am Ankunftstag haben wir die Räder noch einmal ausgepackt und sind 3 km zu einem Lokalgefahren, wo es Lobster Rolls, also Brötchen mit Hummerfleisch und andere leckere Sachen gab. Bring your own Beer, klar, wir hatte 2 Dosen mit in der Satteltasche.

Cape Cod ist bekannt für seine Wahlbeobachtung und so haben wir die Gelegenheit genutzt, uns das zu gönnen. Es ging mit einem Schiff von Provincetown, an der letzten Spitze von CC, wie Cape Cod hier abgekürzt wird, zur Stellwagen Bank, einem Bereich, wo der Meeresboden angehoben ist. Dort ist ein beliebter Tummelplatz für alle möglichen Walarten. Die Fahrt hin dauert ca. 1 Stunde, mit 40 km/h brettert das Schiff durch die See. Und dann, nach ein wenig suchen, die ersten Wale! Humpback Whales, zu Deutsch Buckelwale, wie uns der sehr sachkundige Führer erklärte. Es war eine tolle Erfahrung, diese doch sehr großen Tiere, ca. 40 Tonnen schwer, aus kurzer Distanz zu sehen. Ein Muttertier mit einem Jungen, immer neben einander. Wenn sie die Schwanzflosse heben, dann weiß man, der ist jetzt mal weg, wie die Menschen, wenn sie beim Schnorcheln mal auf Tiefe gegen wollen. Zurück bleibt an der Wasseroberfläche eine Art Hexenkreis mit vollkommen glattem Wasser. Wenn man Glück hat, tauchen sie nach ein paar Minuten wieder auf. Die Schiffe sind schnell und sehr wendig, so dass sie gleich reagieren können, wenn sich irgendwo ein Wal zeigt.

Buckelwal-Kuh mit Kalb
Jetzt ist er erst einmal weg.
Der „Hexenkreis“ nach dem Abtauchen
Schön wars!

Nach einer oder 1,5 Stunden war der Spaß dann vorbei, es ging wieder zurück. Nach ein paar Minuten, die große Seltenheit: Ein Finnwal, auf der Tafel auf dem Schiff die 2. Größte Walart. Er hat sich nur relativ kurz gezeigt, die volle Größe konnte man nicht so richtig erkennen, aber immerhin! Alles in Allem ein tolles Erlebnis.

Nach der Landung sind wir im Städtchen noch einmal auf und ab gelaufen, ganz viel junges Volk, verrückte Läden, ganz viel Leben auf der Straße, die Autos hatten keine Chance. Man merkt die Nähe zu den Großstädten.

Provincetown Downtown

Der Weg zurück zum Campingplatz, ca. 30 km verbrachten wir zum großen Teil im Stau. Da es angefangen hatte zu regnen, wollten natürlich alle zurück! Na ja, in einer Stunde war das auch vorbei.

Morgen soll das Wetter nicht so toll sein, mal sehen, ob wir dann doch noch einmal nach Newport zurückfahren um die Villen der Reichen und evtl. noch das Walfangmuseum anzuschauen. Ihr werdet es erfahren.

28. bis 31. Juli: An der Georgian Bay nach Süden bis nach Niagara Falls

Die Stadt Sudbury ist zwar die größte Stadt in der Gegend weit und breit, bietet aber außer Nickelabbau wenig. Deshalb machten wir uns am nächsten Morgen gleich auf, weiter nach Süden an der Georgian Bay entlang weiter Richtung Toronto und Niagara zu fahren.

Wir dachten ja, dass die Fahrt an der Bay entlang uns schöne Ausblicke auf weite Wasserflächen mit kleinen Inselchen bieten würde, aber leider: Pustekuchen! Die Straße führt zwar oft am Wasser entlang, eigentlich, aber da die Landschaft hier ziemlich eben und dicht bewaldet ist, ist von der schönen Küste nichts zu sehen. Einen Versuch haben wir unternommen, eine Stichstraße zum Wasser zu fahren, um am Ende ein lauschiges Plätzchen für ein Mittagspicknick zu finden, aber auch das war eine Enttäuschung, denn die Gegend ist dicht bebaut mit Wochenendhäusern, so dass man nicht wirklich ans Wasser kommt. Wir haben uns dann in einer kleinen Marina hingestellt und unsere Jause verzehrt, war auch ganz schön.

Da wir aber in dieser sehr skandinavisch anmutenden Küstenlandschaft schon eine Nacht bleiben wollten, haben wir uns den Killbear Provincial Park ausgesucht, der auf einer Halbinsel am Wasser liegt. Ein großer Park mit mehreren Campingplätzen, von denen wir uns den Beaverdams Campground ausgesucht haben. Wir hatten einen Platz in der ersten Reihe direkt am Stand und konnten das bunte Treiben am und auf dem Wasser schön beobachten. Das Wasser angenehm warm (für mich!). Die offene Bucht war allerdings auch hier nicht zu sehen, da noch recht zahlreiche kleine Inseln vorgelagert waren, alle nur mit Boot zu erreichen, viele davon ebenfalls mit kleinen Häusern bebaut. Eine beliebte Gegend.

Am nächsten Tag Abreise Richtung Niagara Falls. Das Wetter sollte schlecht werden und so haben wir uns entschlossen, Toronto nicht zu besuchen. Das ist mit Oigen in Großstädten immer so eine Sache, du findest keinen Parkplatz und wenn du außerhalb parkst musst du dann mit dem Bus in die Stadt reinfahren. Die Campingplätze in der Nähe sind auch nicht wirklich in der Nähe, es sind lange Anfahrten mit Bus oder Bahn nötig, um ins Zentrum zu kommen. Also haben wir Toronto gestrichen und sind stattdessen nach Kitchener gefahren, eine Hochburg der deutschen Auswanderung im 19. Jahrhundert. Kitchener hieß auch bis in den 1. Weltkrieg hinein Berlin, aber nach Eintritt der USA in den Krieg wurde die Stadt in Kitchener umbenannt und die Statue von Kaiser Wilhelm durch die von Victoria von England ersetzt. Nebendran liegt St. Jacobs, eine Hochburg der Mennoniten, eine Wiedertäufer-Sekte, die im 16. Jahrhundert schon aufs Bitterste verfolgt wurden (wohlgemerkt von Katholiken und Protestanten!), nur weil sie einen fundamentalen christlichen Glauben pflegten und sich erst im Erwachsenenalter taufen ließen! Sie wanderten aus und wurden in alle Welt vertrieben, die einzelnen Sekten dieser Glaubensrichtung, wie z.B. auch die Amish People, sind meist nach ihren Gründern benannt, hier nach Menno Simons. Die strengsten Vertreter sind die Old Order Mennoniten, die wie vor über 100 Jahren Landwirtschaft betreiben und schwarzen Hosen, Hosenträger und schwarze Hüte, die Frauen lange Kleider und ein Häubchen tragen und keine Maschinen benutzen und auch keine Autos. Sie fahren mit kleinen Pferdekutschen, den sog. Buggies. Die meisten aber leben ganz normal, fahren Autos (die müssen aber schwarz sein!), und gehen normalen Berufen nach.

Auch in Kitchener hat uns wieder Walmart seine Gastfreundschaft bewiesen, diesmal mit freundlicher Beschallung eines benachbarten Möbelladens, der seinen Parkplatz, trotz geschlossenen Ladens, die ganze Nacht mit Dauermusik beschallte, nicht laut, aber hörbar. Die Nacht war trotzdem ruhig, mal wieder mit Gewitterguss am Abend.

Am nächsten Tag standen die Niagarafälle von der kanadischen Seite auf dem Programm. Wir näherten uns von der Nordküste des Ontariosees, und sind einen schönen Parkway von Niagara on the Lake immer am Niagara entlang in Richtung Niagara Falls vorgerückt. Dort haben wir auf dem fast leeren Parkplatz des Sirlon Towers Quartier genommen, hier darf im Wohnmobil übernachtet werden.

Unser erster Gang war natürlich gleich zu den Fällen und wir waren wirklich überwältigt. Die Sonne schien schon aus westlicher Richtung und so war der immer vorhandene Regenbogen über dem Wasser auch schön von der Kanadaseite aus zu sehen. Es wehte ein leichter Wind und die Gischt wehte ab und zu mal über die Besucher. Unten sieht man die Schiffe, die mit den Besuchern in die Gischt direkt unter die Wasserfälle fahren, ein reger Verkehr immer im Wechsel Hornblower (Kanada) und Maid of the Mist (USA). Die Passagiere in rosa (Kanada) und Blau (USA) Regencapes gekleidet.

Ganz besonders hat uns fasziniert, wie das Wasser oben an der Kante über diese fließt, grünlich transparent schimmernd stürzt es in die Tiefe. Die Niagarafälle sind nach Erklärungen die größten Wasserfälle der Welt dem Wasservolumen nach, dabei wird 2/3 des Wassers (im Winter noch mehr) vorher durch Kanäle und Tunnel dem Fluss entnommen und fließt nicht mehr über die Fälle, sondern wird zur Stromerzeugung genutzt. Durch die geringeren Wassermassen (es sind aber immer noch genug für dieses phantastische Naturschauspiel!) „halten“ die Fälle jetzt noch ein paar tausend Jahre länger, denn das herabstürzende Wasser erodiert die Fälle, seit man sie kennt ist die Kante des Hoseshoe Falls eine ¼ Meile gewandert. Die amerikanischen Fälle, ein im Vergleich müdes Wasserfällchen, wird im Laufe der Jahrhunderte wohl zu einer Stromschnelle verkümmern. Man hat in den 60er Jahren auf der USA Seite mal einen Damm gebaut um das Wasser im amerikanischen Fall zu stoppen. Man wollte die Geologie unter dem Fall untersuchen, um eventuelle Maßnahmen gegen den Verschleiß zu unternehmen, hat dann aber beschlossen, der Natur ihren Lauf zu lassen. Alles interessante Informationen, wenn man Schilder liest!

Nach Sonnenuntergang werden die beiden Wasserfälle bunt angestrahlt, immer mit wechselnder Farbgebung, sehr kitschig aber auch sehr schön! Um 10 Uhr gibt’s dann täglich auch ein Feuerwerk, leider fing es 30 Minuten vor dem Feuerwerk an zu regnen. Das hat uns, den anderen Zuschauern und dem Feuerwerk selber aber nicht die Laune verdorben.

Am nächsten Morgen haben wir uns dann ebenfalls 2 der zahlreichen Attraktionen gegönnt, nämlich eine Fahrt in das Pool of the Mist (rote Mäntel) und The Journey behind the Falls (gelbe Mäntel). Ein irres Gekreische auf dem Schiff, hautsächich Chinesen, andächtige Bewunderung am Fuß der Fälle. Man wird mit einem Fahrstuhl nach unten auf eine Plattform gefahren und hat dann die donnernden Wassermassen ganz nah. Wir haben für einen Farbtupfer gesorgt, da wir bei Attraktion Nummer 2 wieder die roten Mäntel aus Attraktion Nummer 1 angezogen haben, ein kleiner Beitrag zur Müllvermeidung.

Nach diesem eindrucksvollen Erlebnis haben wir dann die Rainbow-Bridge überquert und sind wieder in die USA eingereist. Die Fälle haben wir uns von dort nicht mehr angesehen, da man von der USA Seite wirklich nicht annähernd eine so schöne Sicht hat wie von Kanada aus.

Unser Ziel für 2 Übernachtungen war der Four Mile Creek Camp Ground, am Ufer des Ontariosees. Ein sehr schöner, weitläufiger Platz mit ca. 350 Stellplätzen, sehr viele davon ohne Strom und anderer Anschlüsse. Vom Ufer aus hatten wir gestern einen schönen Sonnenuntergang, man kann die Skyline von Toronto sehr schön sehen, also doch noch Toronto!

Heute ist ein Ausruh- und Waschtag. Wir spekulieren noch auf einen Platz gegenüber, der dann direkt am See liegt, aber die Leute machen keine Anstalten, aufzubrechen, obwohl laut Nachfrage der Platz frei werden sollte.